Die Schmach von WaregemVisma-Trio um van Aert von Powless düpiert

Sebastian Lindner

 · 02.04.2025

Bei bestem Frühlingswetter präsentierte sich der Startort Roeselare.
Foto: Getty Images / Tim De Waele
Neilson Powless hat Dwars door Vlaanderen gewonnen. Der US-Amerikaner vom Team EF Education - EasyPost setzte sich im Finale gegen drei Visma-Profis um Wout van Aert durch.

Lange sah es so aus, als könnte Wout van Aert (Visma | Lease a Bike) seine Kritiker endlich verstummen lassen und den ersten Sieg seiner Saison, den 50. seiner Karriere einfahren. Sein Team hatte mit einem cleveren Schachzug schnell für vermeintlich klare Verhältnisse gesorgt und mit einem Kraftakt dafür gesorgt, dass nur er, seine beiden Mannschaftskollegen Matteo Jorgenson und Tiesj Benoot sowie Powless als einziger Mitfahrer eine schon 50 Kilometer vor dem Ziel kaum gefährdete Spitzengruppe bilden konnten.

Doch anstatt die numerische Überzahl zu nutzen, fuhr das Visma-Trio bis auf die Zielgerade, ohne Powless wirklich wehzutun oder anzugreifen. Die Gelben verließen sich vollstens auf die Sprintqualitäten von van Aert - und wurden enttäuscht. Denn Powless, nicht gerade für seine Endschnelligkeit bekannt, überspurtete den Belgier und feierte seinen ersten Sieg bei einem großen Frühjahrsklassiker. Dass der 28-jährige US-Amerikaner wichtige Rennen gewinnen kann, hatte er aber schon bewiesen. 2021 sicherte er sich die Clasica San Sebastian.

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Powless: “Dachte, ich fahre um den zweiten Platz”

“Ich kann es nicht glauben”, sagte Powless im Ziel wiederholt. “Ich fühlte mich zwar stark, aber ich dachte nicht, dass ich in dieser Gruppe eine Chance auf den Sieg habe. Ich dachte, ich fahre um den zweiten Platz.” Entscheidend für den Erfolg sei dabei die Anfahrt zum Ziel gewesen. “Ich hätte niemals gedacht, dass ich Wout in so einem Sprint schlagen würde. Aber ich kam mit einer guten Geschwindigkeit aus der Kurve und war vielleicht vier, fünf km/h schneller als er. Und dann konnte ich die Geschwindigkeit bis ins Ziel zu halten. Es war kein allzu weiter Weg von der letzten Kurve bis zur Ziellinie.”

Neilson Powless konnte seinen Sieg gegen die Visma-Übermacht kaum fassen und sprach hinterher vom größten Sieg seiner Karriere.Foto: Getty Images / Tim De WaeleNeilson Powless konnte seinen Sieg gegen die Visma-Übermacht kaum fassen und sprach hinterher vom größten Sieg seiner Karriere.

Verlierer van Aert nahm den Ausgang des Rennens klar auf seine Kappe. “Ich bin extrem enttäuscht und fühle mich verantwortlich für dieses Resultat und dafür. Es ist ganz einfach. Ich wollte diesen Sieg unbedingt, auch den Sprint am Ende”, so der 30-Jährige. “Der Plan war es, dass Matteo das Rennen kontrolliert und mich mit Neilson ins Finale dringt. Ich war zu eigensinnig und hatte Angst, dass es zu einer Situation kommt, in der ich nicht um den Sieg fahren kann. Das war falsch, wir hätten es als Team angehen und nicht nur auf den Sprint setzen sollen.”



Politt muss nach Sturz aufgeben

Während sich Visma mit den Rängen zwei, drei und vier zufrieden geben musste und damit ziemlich bedient sein dürfte, führte einer der Topfavoriten auf den Sieg, Mads Pedersen (Lidl - Trek), die zweite Gruppe als Fünfter ins Ziel. Der Däne war im entscheidenden Moment, als Visma seinen Angriff lancierte, zu weit hinten im Feld gewesen. Danach versuchte er mehrfach, die Lücke wieder zu schließen, war als Einzelkämpfer, mit dem keiner mitfahren wollte, aber auf verlorenem Posten.

Bester Deutscher bei der Generalprobe für die Flandern-Rundfahrt am Sonntag wurde John Degenkolb (Team Picnic PostNL) als 30. Nils Politt (UAE Emirates - XRG) war in einen Sturz mit Laurence Pithie (Red Bull - BORA - hansgrohe) verwickelt und musste aufgeben.

Dwars door Vlaanderen 2025: Ergebnisse


2025:

Dwars door Vlaanderen - A travers la Flandre ME: Roeselare - Waregem

02.04.2025 | 184.2 km
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So lief Dwars door Vlaanderen 2025

Das Profil von Dwars door Vlaanderen 2025Foto: Flanders ClassicsDas Profil von Dwars door Vlaanderen 2025

Noch vor dem Start des 184 Kilometer langen Klassikers zwischen Roeselare und Waregem gab es die ersten schlechten Nachrichten für Pedersen. Sein Teamkollege Alex Kirsch zählte zu den vier Profis des Tages, die das Rennen nicht antreten konnten. Lange dauerte es auch nicht, bis es auch Red Bull – BORA – hansgrohe und XDS - Astana mit unguten Nachrichten erwischte. Danny van Poppel und Alberto Bettiol mussten aufgeben, bevor das Rennen wirklich Fahrt aufgenommen hatte. Aus Mitfavoritensicht musste im Rennverlauf auch Tim Wellens (UAE Emirates - XRG) die Segel streichen.

Das passierte erst nach knapp 60 Kilometern, als acht Fahrer eine erste Fluchtgruppe bildeten. Unter anderem mit dabei: Taco van der Hoorn (Intermarché - Wanty), Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling Team), Mikkel Bjerg (UAE Team Emirates – XRG) und Lewis Askey (Groupama – FDJ).

Visma fährt zu Dritt in die Spitzengruppe

Das Feld hielt den Abstand zu den Ausreißern eher gering. Und als van Aert und Pedersen zwischen Knotkteberg-Trieu und Hotondberg das Tempo erstmals anzogen, war die Lücke schnell wieder geschlossen. Dabei brach das Peloton auch erstmals in zwei Teile. Zudem entgingen die beiden Dänen Bjerg und Landesmeister Rasmus Pedersen (Decathlon AG2R La Mondiale) aus der Spitzengruppe mit einer Konterattacke ihrer Einholung.

Josh Tarling (INEOS Grendiers), Neilson Powless (EF Education – EasyPost) und Fabio Van den Bossche (Alpecin – Deceuninck) machten sich daraufhin auf die Verfolgung des Spitzenduos, konnte die Lücke aber erst nach mehreren Minuten 71 Kilometer vor dem Ziel schließen. Derweil hatte hinten im Feld aber schon Visma | Lease a Bike den mehr als eine Minute großen Vorsprung durch eine Energieleistung verringert.

Der Krafteinsatz der Gelben war so groß, dass sich Benoot, van Aert und Jorgenson vom Feld lösten und in Windeseile am Berg Ten Houte vorne bei der Spitzengruppe war. Als der Vorsprung der Verfolger schon auf 15 Sekunden gesunken war, stoppte aber auch die Zusammenarbeit hinten. Pedersen und Ineos - Tarling hatte die Spitze nicht halten können - hatten die Arbeit gemacht, forderten aber Unterstützung, bekamen die aber nur spärlich.

Visma im Finale zu defensiv

Und so ging es mit einer Lücke von etwas mehr als 20 Sekunden in die zweite Passage von Knokteberg und Hotond. Dort ließ das Visma-Trio bis auf Powless alle anderen Ausreißer zurück. Hinten kämpfte Pedersen weiter allein, fand aber keine Mitstreiter. 50 Kilometer vor dem Ziel war die Differenz erstmals auf eine halbe Minute angewachsen, weil hinten einfach keine Einigkeit eintrat.

Und so wuchs der Vorsprung des Spitzenquartetts langsam, aber sicher. 20 Kilometer vor dem Ziel war es dann eine Minute. Ein paar Kilometer später trennte sich auch die große Verfolgergruppe. Sechs Mann um Stefan Küng (Groupama - FDJ) und Pedersen lösten sich vom Rest, schafften es aber dennoch nicht, das Loch zur Spitze zu schließen.

Neilson Powless bejubelt seinen Sieg, Ernüchterung bei Wout van AertFoto: Getty Images/JASPER JACOBS / BELGA MAG / Belga via AFPNeilson Powless bejubelt seinen Sieg, Ernüchterung bei Wout van Aert

Derweil gingen Benoot, Jorgenson, van Aert und Powless gemeinsam ins Finale. Visma verzichtete dabei darauf, den Widersacher vor dem Finale durch wechselnde Attacken in Bredouille zu bringen. Einträchtig fuhr die Gruppe auf die Zielgerade, auf der für van Aert der Sprint lanciert wurde. Doch von dessen Hinterrad zog Powless noch vorbei und als Sieger über die Ziellinie. In der zweiten Gruppe gewann Pedersen den Sprint und wurde Fünfter.

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